Immer mehr Deutsche essen weniger Fleisch
Braten, Speck und Wurst kommen in Deutschland immer seltener auf den Tisch. Ein Grund sind gestiegene Preise – aber auch veränderte Ansprüche der Verbraucher. An dieser Stelle bekommen Sie einen Überblick über den größten Zweig der deutschen Ernährungsindustrie.
Die Fleischwirtschaft ist ein Gigant – der größte Zweig in der deutschen Ernährungsindustrie. Die Branche erzeugt pro Jahr etwa 8,8 Millionen Tonnen Fleisch, schlachtet rund 63 Millionen Schweine, Rinder, Kälber und Schafe. Sie tut viel, um ihre enorme Produktivität zu halten. Doch die Verbraucher spielen nicht mehr mit. Schon seit 2006 packen sie weniger Fleisch und Wurst in ihre Einkaufswagen. Spürbar ist der Rückgang seit vier Jahren: 2010 kaufte ein deutscher Haushalt im Durchschnitt gut 44 Kilogramm Fleisch, 2014 waren es nicht einmal mehr 42.
Bewusste Entscheidung gegen Fleisch
Fast jeder zehnte Haushalt verzichtet laut Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) gelegentlich bewusst auf Fleisch. Vor allem Schweinefleisch – des Deutschen mit Abstand liebste Fleischart – verzeichnet Rückgänge, ebenso Wurst. 2014 ließ auch die Nachfrage nach gemischtem Hackfleisch nach. Weil es einfach und vielseitig zu verarbeiten ist, gehört es zu den Verkaufsschlagern. Schnitzel, Schinken und Salami kommen bei vielen zwar noch immer auf den Tisch – aber seltener und in kleineren Portionen.
Gestiegene Preise drücken die Kauflust
Warum haben die Bürger weniger Lust auf Fleisch und Wurst? Ein Grund sind die deutlich gestiegenen Preise: Laut GfK kostete ein Kilogramm Fleisch im Jahr 2014 satte 17 Prozent mehr als 2010, Wurst immerhin 12 Prozent mehr. Neben Hackfleisch waren etwa Schweinekotelett, Rindergulasch und Fleischwurst von starken Teuerungen betroffen. Klettern die Preise, sinkt der Konsum – gerade bei Lebensmitteln ist der Deutsche äußerst preissensibel. Die Ursachen für den Preisanstieg sind komplex. Zum einen hängt der Preis mit der weltweiten Land- und Viehwirtschaft zusammen: Werden zum Beispiel Futtermittel wie Mais knapp oder kommt es im Rinderland Argentinien zu Unruhen, schnellen die Preise in die Höhe. Zum anderen steigt die weltweite Fleischnachfrage, vor allem in Schwellenländern.
Kunden werden immer anspruchsvoller
Mit dem Preis allein lässt sich der veränderte Konsum aber nicht erklären. Skandale – man erinnere sich an verstecktes Gammel- oder Pferdefleisch –, Berichte über Massentierhaltung und schlechte Arbeitsbedingungen in Schlachtereien haben die Deutschen sensibilisiert. Zumindest in einem Punkt hat die Branche reagiert: Alle Betriebe der Fleischwirtschaft zahlen seit Mitte 2014 Mindestlöhne. Die Kunden sind kritischer und anspruchsvoller geworden. Ihre Einkaufskriterien haben sich gewandelt. Das belegt beispielsweise eine Studie des Dienstleistungsunternehmens SGS. Demnach achtet heute jeder Zweite beim Einkauf auf Herkunftsnachweise. Fast genauso viele legen Wert darauf, dass tierische Produkte aus artgerechter Haltung stammen. 2010 war das erst gut ein Drittel.
Deutschland bleibt trotzdem ein Fleisch- und Wurstland
Der gesunkenen Nachfrage zum Trotz: Deutschland ist ein Fleisch- und Wurstland. Bayern, Thüringer und Sachsen schlagen besonders kräftig zu. Im Schnitt verspeist jeder Bürger rund 60 Kilogramm pro Jahr – fast doppelt so viel, wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt. Mehr als 300 bis 600 Gramm Fleisch und Wurst pro Woche sollten es nicht sein. Unter gesundheitlichen Aspekten ist weißes Fleisch von Geflügel günstiger als rotes von Schwein und Rind.
Quelle: Stiftung Warentest